Genetische und genomische Karte der MS-Anfälligkeit
Das International Multiple Sclerosis Genetics Consortium veröffentlichte eine beeindruckende wissenschaftliche Arbeit, die zu einem besseren Verständnis von Multipler Sklerose beiträgt: So wurden mehr als 200 MS-assoziierte genetische Varianten identifiziert. Die Multiple Sklerose Genomkarte impliziert insbesondere die Anfälligkeit von peripheren Immunzellen und Mikroglia.
Genetische Wurzeln der Multiplen Sklerose
Das International Multiple Sclerosis Genetics Consortium (IMSGC) versuchte, die zugrunde liegende Genetik von Multipler Sklerose (MS) zu bestimmen. Dafür untersuchten die Forschenden mit mehreren genomweiten Assoziationsstudien mehr als 47.000 Fälle und 68.000 Kontrollen. Schlussendlich konnten sie mehr als 200 Risikostandorte bei MS identifizieren.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konzentrierten sich auf die besten Kandidatengene, einschließlich eines Modells der Hauptregion des Histokompatibilitätskomplexes, und identifizierten statistisch unabhängige Effekte auf Genomebene. Die Genexpressionsstudien ergaben, dass jeder wichtige Immunzelltyp mit MS-Suszeptibilitätsgenen angereichert ist. Darüber hinaus ergaben die Studien, dass MS-Risikovarianten in hirnresidenten Immunzellen, insbesondere Mikroglia, angereichert sind. Durch diese Analyse könnten bis zu 48 % des genetischen Beitrags von Multipler Sklerose erklärt werden.
Multiple Sklerose ist eine entzündliche und degenerative Erkrankung des Zentralnervensystems (ZNS), die häufig bei jungen Erwachsenen auftritt. Während des letzten Jahrzehnts haben sich nach und nach bestimmte Elemente der genetischen Architektur der Anfälligkeit herausgebildet, wobei das meiste genetische Risiko für MS unbekannt blieb. Frühere Versionen der genetischen MS-Karte hatten die Rolle des adaptiven Arms des Immunsystems hervorgehoben. Zudem implizierten diese Karten mehrere unterschiedliche T-Zell-Teilmengen.
Das International Multiple Sclerosis Genetics Consortium hat sein Wissen über die Anfälligkeit für MS mit einer genetischen Assoziationsstudie erweitert, in die die Genotypdaten von 47.429 MS-Fällen und 68.374 Kontrollpersonen einflossen. Zudem wurde die Analyse um eine eingehende und umfassende Bewertung der funktionalen Auswirkungen der aufgedeckten Anfälligkeitsvarianten ergänzt.
Ergebnisse
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler berichten über eine detaillierte genetische und genomische Karte der MS-Anfälligkeit, die fast die Hälfte der Erblichkeit dieser Krankheit erklärt. Sie unterstreichen die Bedeutung mehrerer Zellen des peripheren und im Gehirn befindlichen Immunsystems, die sowohl den adaptiven als auch den angeborenen Arm betreffen, bei der Umsetzung des genetischen Risikos für MS in einen autoimmunen Entzündungsprozess, der auf das ZNS abzielt und eine neurodegenerative Kaskade auslöst. Insbesondere die myeloide Komponente weist auf eine mögliche Rolle für Mikroglia hin, die weitere Untersuchungen erfordert. Darüber hinaus ist die B-Zell-Komponente mit der Darstellung wirksamer B-Zell-gerichteter Therapien bei MS verbunden. Diese Erkenntnisse bilden die Grundlage für eine neue Generation von Funktionsstudien, um die Abfolge molekularer Ereignisse aufzudecken, die zum Ausbruch von Krankheiten führen. Diese Perspektive auf den Krankheitsverlauf wird laut dem Konsortium die Grundlage für die Entwicklung von Strategien zur Primärprävention bilden, die das Risiko für die Entstehung von MS verringern.
Das International Multiple Sclerosis Genetics Consortium identifizierte 233 statistisch unabhängige, genomweit signifikante Assoziationen mit MS-Anfälligkeit. Der Haupthistokompatibilitätskomplex (MHC) enthält 32 dieser Assoziationen. Der erste MS-Ort befindet sich den Forschenden zufolge auf dem Geschlechtschromosom X, die übrigen 200 Assoziationen befinden sich im autosomalen Nicht-MHC-Genom. Der genomweite Partitionierungsansatz und der groß angelegte Replikationsaufwand ermöglichten die Bewertung anderer Varianten, die nicht der strengen Signifikanzschwelle entsprachen. Wahrscheinlich handelt es sich bei vielen dieser Loci um echte Suszeptibilitäts-Loci. Die genomweiten und suggestiven Effekte erklären gemeinsam ~ 48% der geschätzten Heritabilität für Multiple Sklerose.
International Multiple Sclerosis Genetics Consortium: Multiple sclerosis genomic map implicates peripheral immune cells and microglia in susceptibility; Science 27 Sep 2019: Vol. 365, Issue 6460, eaav7188, DOI: 10.1126/science.aav7188