Menschen mit Behinderungen: Mehr Teilhabe am Arbeitsmarkt
Der Nationalrat hat die Bundesregierung am 27. Februar 2020 in einem einstimmig angenommenen Entschließungsantrag aufgefordert, die Arbeitsbedingungen von Menschen mit Behinderungen zu verbessern. Die wesentliche Empfehlungen der Volksanwaltschaft wie beispielsweise, dass Menschen mit Behinderungen in die Pensionsversicherung einbezogen werden und von Förderung durch das AMS profitieren sollen, wurden mit einbezogen. Für die Persönliche Assistenz sollen österreichweit einheitliche Rahmenbedingungen geschaffen werden.
Die Volksanwaltschaft (VA) hatte in ihrem Sonderbericht die Situation von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsmarkt als „unbefriedigend und unzulässig“ beschrieben. Die Empfehlungen der Volksanwaltschaft wurden nun vom Nationalrat aufgegriffen. Der Sonderbericht hatte aufgezeigt, dass Menschen, denen die Arbeitsfähigkeit auf weniger als 50 Prozent klassifiziert werde, nicht vom AMS gefördert und nicht auf Arbeitsplätze vermittelt werden. Sie seien somit von Behindertenwerkstätten abhängig , wo sie nur ein Taschengeld bekommen und nicht selbst sozialversichert, sondern auf die Mitversicherung bei den Eltern angewiesen sind. „Im Alter bleibt ihnen dann nur ein Leben auf dem Existenzminimum – Pension gibt es für sie nicht. unge Menschen leiden darunter besonders. Sie kommen meist ihr ganzes Leben nicht mehr aus dieser Situation heraus. Sie haben keine Chance, selbständig zu werden“, erklärte Volksanwalt Bernhard Achitz.
In einer Entschließung an Bundesminister Rudolf Anschober sprach sich der Nationalrat am 27. Februar 2020 einstimmig für bessere Chancen am Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderungen aus. So wird die gängige Praxis bemängelt, dass gerade bei jungen Menschen mit Behinderungen rasch und ohne längere Erprobung eine Arbeitsunfähigkeit festgestellt wird.
In der Debatte zeigte sich Kira Grünberg (ÖVP) erfreut, dass am Thema Inklusion und Menschen mit Behinderung über die Parteigrenzen hinaus gearbeitet wird. Insbesondere befürworte sie die geforderte längere Erprobungsphase vor der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit. Dabei sollen auch die Unterstützungsangebote des AMS und des Sozialministeriumservice ausgeschöpft werden. So hätten Betroffene bessere Chancen, am ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen und ein eigenes Einkommen zu erlangen. Als weiterer Punkt der Entschließung sollen gemeinsam mit Stakeholdern und Ländern Umsetzungsschritte erarbeitet werden, mit denen in Tagesstrukturen Beschäftigte in die gesetzliche Kranken- und Pensionsversicherung übernommen werden sollen. Grünberg verwies auf derzeit 24.000 Menschen in den Tagestrukturen, die nur Taschengeld beziehen, aktuell nur bei ihren Eltern mitversichert sind und somit wie Kinder behandelt würden, obwohl sie erwachsen seien. Sie fordert das Recht auf volle Teilhabe an allen Aspekten des Lebens.
Der letzte Punkt der Entschließung betrifft das Thema „Persönliche Assistenz“. So ist diese nur im Bereich des Arbeitsplatzes bundesweit einheitlich geregelt. Verena Nussbaum (SPÖ) kritisierte die in den anderen Bereichen geltenden unterschiedlichen Regelungen in den Ländern, die für sie von „unzufriedenstellend“ bis „nicht vorhanden“ reichen. Deshalb betonte sie die geforderte Prüfung zur Einrichtung eines Inklusionsfonds – analog zum Pflegefonds – und verspricht darauf zu achten, dass die geforderten Maßnahmen im Interesse der Menschen rasch umgesetzt werden.
Christian Ragger (FPÖ) sprach von einem wunderbaren Tag, da sein 10-jähriger Kampf für eine Lösung erstmals öffentlich im Hohen Haus diskutiert werde. Es sei eine Farce, dass der Art. 27 der UN-Behindertenrechtskonvention bisher noch nicht umgesetzt worden sei. Es sollte heute die Regel sein, dass Menschen mit Beeinträchtigungen in einem Arbeitsprozess beschäftigt sein können, so Ragger, der auf gelungene Beispiele in Kärnten verwies.
Heike Grebien (Grüne) erklärte die Entstehung des gemeinsamen Entschließungsantrags, der auf ursprünglichen Anträgen von der SPÖ und den NEOS beruhe: „Das ist es, was die Menschen von den Abgeordneten erwarten.“ Die zu schnelle Feststellung der Arbeitsunfähigkeit und die fehlende eigene Sozialversicherung wurden laut Grebien bereits 2019 von der Volksanwaltschaft kritisiert.
Fiona Fiedler (NEOS), kritisierte, dass Inklusion sei zu lange eine politische Randpartie gewesen sei, nun aber zur Hauptmaterie werde . Umso mehr freue sie der überparteiliche Konsens. Eine Vielzahl an Vereinen und Stiftungen in diesem Bereich gäbe es schließlich nur, weil die Politik zu lange zugesehen habe. Ihr Dank gelte allen Menschen, die seit Jahren für Inklusion kämpfen.
Sonderbericht der Volksanwaltschaft
Video der 12. Nationalratssitzung
Quelle: Parlamentskorrespondenz, Volksanwaltschaft