Regulatorische T-Zellen: Mobile Friedenstruppe im Immunsystem
Am 14. März 2020 wird der japanische Immunologe Shimon Sakaguchi vom WPI Immunology Frontier Resarch Center an der Universität Osaka für die Entdeckung der regulatorischen T-Zellen in Frankfurt/Main mit dem Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis ausgezeichnet.
Regulatorische T-Zellen (Treg) haben die Funktion, die im Organismus zirkulierenden Killerzellen in Schach zu halten. Die erstmals von Sakaguchi bestimmte molekulare Basis und Funktion dieser Zellen könnte für die Therapie von Erkrankungen wie Typ1-Diabetes, Multiple Sklerose oder Rheuma von großer Bedeutung sein: Treg verhindern nämlich die übermäßige Reaktion des Immunsystems und halten die sogenannte Selbsttoleranz aufrecht.
Treg als Garant für unerlässliche Selbsttoleranz
Als immunologische Selbsttoleranz (Nichtreagieren auf Selbstbestandteile) wird die Fähigkeit des Immunsystems bezeichnet, zwischen Körpereigenem und Fremdem zu unterscheiden und schlussendlich Attacken auf den eigenen Körper zu verhindern.
Einer der Schlüsselmechanismen der immunologischen Selbsttoleranz ist die T-Zell-vermittelte dominante Kontrolle selbstreaktiver Lymphozyten. Die Forschungsgruppe um Sakaguchi konnte zeigen, dass CD25 + CD4 + regulatorische T (Treg) -Zellen, die auf natürliche Weise im Immunsystem produziert werden, aktiv an der Unterdrückung verschiedener physiologischer und pathologischer Immunantworten einschließlich Autoimmunantworten beteiligt sind. Eine Funktionsstörung oder ein Mangel an CD25 + CD4 + natürlichen Treg-Zellen gilt als Ursache für Autoimmunerkrankungen, Allergien und entzündliche Darmerkrankungen. Andererseits kann die Reduktion von Treg-Zellen oder die Abschwächung ihrer supprimierenden Aktivität die Immunantworten wie jene gegen Tumorantigene oder Mikroben verstärken, während die Zunahme der Anzahl oder die Verstärkung ihrer supprimierenden Aktivität eine immunologische Toleranz gegenüber Organtransplantaten begründen kann.
Ein Schlüsselmerkmal natürlicher Treg-Zellen ist, dass sie den Transkriptionsfaktor Foxp3 als Masterkontrollgen für ihre Entwicklung und Funktion exprimieren. Eines der Forschungsprojekte des Labors in Osaka ist die Bestimmung der molekularen und zellulären Grundlagen der Treg-Entwicklung und -Funktion – allen voran, wie Foxp3 andere Gene steuert und Treg-Zellen unterdrückt, wie diese im normalen Immunsystem produziert werden und wie sie eingesetzt werden können, um Immunantworten in klinischen Situationen wie Autoimmunerkrankungen zu kontrollieren.
Treg-Zellen: Mobile Friedenstruppe im Immunsystem
Dass der mit 120.000 Euro dotierte Preis für wegweisende Forschung in der Medizinwissenschaft an den japanischen Forscher verliehen wird, begründet der Vorsitzende des Stiftungsrates, Prof. Dr. Thomas Boehm vom Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg u.a. mit Sakaguchis Weitsicht und konsequenter Beharrlichkeit.
Schließlich sei die Existenz einer „solchen mobilen Friedenstruppe im Immunsystem“ naheliegend, deren Nachweis jedoch äußerst schwierig. In den 1960er und 1970er Jahren habe die Meinung vorgeherrscht, dass über die Selbsttoleranz ausschließlich im Thymus entschieden werde, erklärte Boehm. „Keine Immunzelle sollte den Thymus verlassen können, ohne gelernt zu haben, zwischen fremd und selbst zu unterscheiden. Aufpasser-Zellen außerhalb dieses Organs schienen nicht mehr nötig zu sein“, so der Immunbiologe.
Sakaguchi war anderer Ansicht und sollte Recht behalten: Mithilfe einer Reihe von Experimenten konnte er die Existenz einer eigenen, eindeutig identifizierbaren Klasse von T-Zellen belegen, die den Thymus gemeinsam mit den anderen T-Zellen verlassen und dafür sorgen, dass T-Zellen, die „ihre Lektion in Selbsttoleranz nur unzureichend gelernt haben, nirgendwo im Körper Amok zu laufen.“
Da der japanische Forscher seinen eigenen Experimenten mehr als der gängigen Meinung traute, bewies er zuerst bei Mäusen und anschließend beim Menschen die Existenz der
Mobile Friedenstruppe im Immunsystem
Der für den Preis nominierte Grundlagenforscher belegte, dass Personen mit dem seltenen IPEX-Syndrom keine Treg-Zellen besitzen und schon früh schwerwiegende Autoimmunerkrankungen entwickeln. Damit belegte Sakaguchi auch die klinische Relevanz regulatorischer T-Zellen.
„Regulatorische T-Zellen sind exzellente Zielmoleküle für die Therapie, und zwar sowohl für Erkrankungen, bei denen das Immunsystem über die Stränge schlägt, als auch für Erkrankungen, bei denen das Immunsystem nicht mit der gebotenen Konsequenz gegen Missstände vorgeht. Für die Behandlung von Autoimmunerkrankungen, Allergien oder Abstoßungsreaktionen müssen die regulatorischen T-Zellen gestärkt werden, damit die unerwünschten Immunreaktionen beendet werden. Gegen Krebs gilt es, deren Aktivität zu dämpfen, damit das Immunsystem entfesselt wird und entschlossener gegen den Tumor vorgeht.“
Prof. Dr. Thomas Boehm
Mittlerweile prüfen zahlreiche klinische Studien die neuartigen Konzepte.
Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis
Der Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis wird traditionell an Paul Ehrlichs Geburtstag, dem 14. März, in der Frankfurter Paulskirche verliehen. Mit ihm werden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler geehrt, die sich auf den von Paul Ehrlich vertretenen Forschungsgebieten besondere Verdienste erworben haben – insbesondere in der Immunologie, der Krebsforschung, der Hämatologie, der Mikrobiologie und der Chemotherapie.
Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis
Quelle: Goethe-Universität Frankfurt am Main