Immunhemmende Wirkung von Antibiotika entschlüsselt

Ein immunhemmender Wirkmechanismus, der bei einigen Antibiotika eintritt, könnte sich auch für die Behandlung von Autoimmunerkrankungen eignen. Über diesen Mechanismus konnten im Tiermodell Symptome der mit Multipler Sklerose vergleichbaren Experimentellen Autoimmunen Enzephalomyelitis (EAE) deutlich reduziert werden.

Th17-Immunzellen spielen eine wesentliche Rolle bei der Entstehung und Erhaltung von Autoimmunerkrankungen. Credit: Luís Almeida und Ayesha Dhillon-LaBrooy (Universitätsmedizin Mainz)

Th17-Immunzellen spielen bei der Entstehung und Erhaltung von Autoimmunerkrankungen eine wesentliche Rolle. Credit: Luís Almeida und Ayesha Dhillon-LaBrooy (Universitätsmedizin Mainz)

In der Zeitschrift „Immunity“ berichten Forscherinnen und Forscher um Univ.-Prof. Dr. Tim Sparwasser von der Universitätsmedizin Mainz, dass sie Mechanismen entschlüsselten, die dazu führen, dass bestimmte Antibiotika Bestandteile des Immunsystems hemmen.

Das Mainzer Forschungsteam untersuchte zunächst zunächst das Antibiotikum Linezolid und seine Wirkungsweise bei Multipler Sklerose, bei der das Immunsystem körpereigene Organe und Gewebe attackiert, indem es Entzündungsprozesse auslöst. Sparwasser und seine Kolleginnen und Kollegen zeigten, dass die Wirkungsweise von Linezolid vor allem die Funktion der Th17-Zellen beeinträchtigt. Im Rahmen der Studie „Ribosome-Targeting Antibiotics Impair T Cell Effector Function and Ameliorate Autoimmunity by Blocking Mitochondrial Protein Synthesis“ gelang es, im Mausmodell zu belegen, dass die durch T-Zellen ausgelöste Autoimmunreaktion mithilfe von Linezolid effektiv gehemmt wird. So verringerte das Antibiotikum die Anzahl der aktivierten Th17-Immunzellen. Darüber hinaus wurde der entzündungsfördernde Botenstoff Interleukin-17 weniger ausgeschüttet. In der Folge gingen die Symptome der mit  Multipler Sklerose beim Menschen vergleichbaren Experimentellen Autoimmunen Enzephalomyelitis deutlich zurück.

Als bedeutendes Reserveantibiotikum kommt Linezolid für die Behandlung von Autoimmunerkrankungen nicht in Frage. Das aber das Peptid Argyrin C (ArgC) einem ähnlichen Wirkmechanismus wie Linezolid folgt, stellt dieses den Forschenden zufolge einen vielversprechenden, alternativen Therapieansatz darstellt. Beide Substanzen blockieren die Herstellung von für die Funktion von Immunzellen notwendigen Botenstoffen in einem sehr frühen Stadium. Dieser Eingriff in die Proteinbiosynthese in den Mitochondrien hemmt somit auch entzündliche Autoimmunreaktionen.

Mitochondrialer Elongationsfaktor mEF-G1: Schlüsselrolle bei Entstehung von Autoimmunerkrankungen

Ein weiteres Ergebnis der Forschungsarbeit ist, dass ein bestimmtes Protein, der sogenannte mitochondriale Elongationsfaktor mEF-G1, für die Proteinbiosynthese unabdingbar ist und eine wichtige Schlüsselrolle bei der Erhaltung der T-Zell-Funktion und der Entstehung von Autoimmunerkrankungen spielt. Diese Auswirkungen auf den mitochondrialen Stoffwechsel und die Funktion der Th17-Zellen könnten auch erklären, warum bei Antibiotikabehandlungen häufig Nebenwirkungen wie Pilzinfektionen auftreten.

„Die mitochondriale Proteinbiosynthese und insbesondere mEF-G1 stellen vielversprechende Ansatzpunkte dar, die einen entscheidenden Beitrag für die Erforschung von immunmodulierenden Therapien bei T-Zell-vermittelten Autoimmunerkrankungen wie der Multiplen Sklerose leisten könnten.“
Univ.-Prof. Dr. Tim Sparwasser

Literatur

L. Almeida, A. Dhillon-LaBrooy, C.N. Castro, N. Adossa, G.M. Carriche, M. Guderian, S. Lippens, S. Dennerlein, C. Hesse, B.N. Lambrecht, L. Berod, L. Schauser, B.R. Blazar, M. Kalesse, R. Muller, L.F. Moita, T. Sparwasser. Ribosome-Targeting Antibiotics Impair T Cell Effector Function and Ameliorate Autoimmunity by Blocking Mitochondrial Protein Synthesis. Immunity. 2021 Jan 12;54(1):68-83.e6; doi: 10.1016/j.immuni.2020.11.001. Epub 2020 Nov 24; Pubmed: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33238133/

Quelle: Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz