Behandlungsoptionen bei SPMS und PPMS
Bei den meisten Menschen mit Multipler Sklerose nimmt die Erkrankung einen schubhaften Verlauf, der in ein chronisch progredientes Stadium übergehen kann. Rund zehn bis 15 Prozent aller diagnostizierten Personen sind von primär progredienter Multipler Sklerose betroffen, bei der keine Schübe auftreten.
Therapieoptionen bei sekundär progredienter MS (SPMS) und primär progredienter MS (PPMS)
Sekundär progrediente MS (SPMS)
Beim Großteil der Menschen mit MS nimmt die Erkrankung einen schubhaften Verlauf. Reduziert sich die Häufigkeit der Schübe und kommt es zu einer langsamen klinischen Verschlechterung, spricht man von sekundär progredienter MS (SPMS) – unabhängig davon, ob zusätzlich noch Schübe auftreten oder nicht. Bis zum Übergang in dieses chronisch progrediente Stadium vergehen im Durchschnitt 15 bis 20 Jahre. Die sekundär progrediente Phase entwickelt sich allerdings nicht bei allen MS-Betroffenen, viele Menschen mit Multipler Sklerose verbleiben in einem schubhaften Verlauf.
Behandlung der SPMS
Für die SPMS stehen als Therapieoptionen Interferon beta-1a und Interferon beta-1b zur Verfügung, die unter die Haut injiziert werden müssen. Weiters ist das Immunsuppressivum Mitoxantron zugelassen.
Die Siponimod oder BAF312 (Handelsname Mayzent®) mit aktiver Erkrankung, die durch Rückfälle oder Merkmale entzündlicher Aktivität in der Bildgebung nachgewiesen wurde.
m 13. Jänner 2020Interferon-beta
Interferon beta-1a und Interferon beta-1b modulieren die Autoimmunreaktion und verhindern so die Entzündungsschübe und Krankheitsprogression. Die Medikamente sind für die Behandlung der SPMS mit noch vorhandener Schubaktivität zugelassen und zielen darauf ab, die Krankheitsschübe zu reduzieren und das Fortschreiten der Behinderung bremsen. Die häufigste Nebenwirkung bei der Interferon-Anwendung besteht in grippeähnlichen Symptomen.
Mixantron ist für die sekundär progrediente Multiple Sklerose mit oder ohne aufgesetzte Schübe zugelassen. Aufgrund der möglichen Nebenwirkungen wie Schädigung des Herzmuskels oder der Entwicklung einer Leukämie kommt Mitoxantron aber nur in geringem Ausmaß zum Einsatz.
Siponimod
Der Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptor-Modulator (S1P-Modulator) Siponimod, eine Weiterentwicklung des MS-Medikaments Fingolimod, hatte dem Hersteller Novartis zufolge in der EXPAND-Studie, einer doppelt verblindeten, multizentrischen Studie mit 1.651 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, im Vergleich zu Placebo eine statistisch signifikante Wirkungen gezeigt. Dies galt auch für Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer mit einem sekundär progredienten Krankheitsverlauf mit aufgesetzten Schüben.
So hatte sich nach einer durchschnittlich 18-monatigen Siponimod-Einnahme bei 21 bis 26 % der Probandinnen und Probanden seltener eine Behinderungsprogression gezeigt. Auch hinsichtlich mittels Magnetresonanztomografie (MRT) gemessener Läsionen und einer Abnahme des Hirnvolumens zeigte die mit dem Medikament behandelte Gruppe eine Verbesserung.
Siponimod eignet sich laut dem Erstattungskodex der Sozialversicherung für eine chef(kontroll)ärztliche Langzeitbewilligung für 6 Monate (L6).
Primär progrediente MS (PPMS)
Die von Beginn an allmählich fortschreitende, primär progrediente MS (PPMS), bei der keine Schübe auftreten, ist die seltenste Form der Multiplen Sklerose und betrifft rund zehn bis 15 Prozent aller diagnostizierten MS-Betroffenen. Sie ist durch eine von Beginn an langsam voranschreitende Behinderung gekennzeichnet und geht meist mit einer zunehmenden Beeinträchtigung der Gehfähigkeit einher. Diese ist vor allem auf Lähmungen und eine Erhöhung der Muskelspannung (Spastik) zurückzuführen. Der Krankheitsgipfel erfolgt in den meisten Fällen erst ab dem 40. Lebensjahr und das Fortschreiten der Erkrankung kann rascher als beim schubhaften Verlauf vorangehen. Die PPMS äußert sich vor allem durch Gehbeschwerden, Halbseitenschwäche, Spastiken und eine Beeinträchtigung der Blasen-, Darm- und Sexualfunktionen.
Behandlung der PPMS mit monoklonalem Antikörper
Während in Europa für die schubhafte Form der MS insgesamt 16 Medikamente zugelassen sind, steht für Menschen mit primär progredienter MS lediglich eine B-Zell-Therapie zur Verfügung: Ocrelizumab wirkt durch die Hemmung der B-Zellen und ist in Europa seit 2018 zugelassen. Bei Ocrelizumab handelt es sich um einen humanisierten monoklonalen Antikörper, der an CD20-positive B-Zellen bindet, die bei Multipler Sklerose eine große Rolle spielen, und führt zur – reversiblen – Elimination dieser Zellen. Das Fortschreiten der Erkrankung wird – besonders bei jüngeren Betroffenen mit kürzerer Erkrankungsdauer und nachweisbarer Krankheitsaktivität – gebremst. Ocrelizumab kann nach zwei Initial-Infusionen im Abstand von zwei Wochen halbjährlich im niedergelassenen Bereich verabreicht werden. In Österreich ist Ocrelizumab seit Mai 2019 in der gelben Box bzw. dem gelben Bereich des Erstattungskodex und wird somit bei Patientinnen und Patienten mit schubhafter MS von den Kassen erstattet. Nach Ersteinstellung im Spital wird das Medikament im niedergelassenen Bereich infundiert – in Wien vorwiegend im Ambulatorium Mariahilf der Österreichischen Gesundheitskasse. In vielen Fällen erfolgt auch bei Patientinnen und Patienten nach chefärztlicher Genehmigung mit PPMS eine Erstattung durch die Kassen.